Wiens letztes Pornokino

Praktisch völlig aus dem Stadtbild verschwunden sind die kleinen Bezirkskinos. Oft waren es „Schlauchkinos“, mit wenigen Sitzplätzen in umso mehr Reihen. Das bekannteste und wohl auch klassische von ihnen war das Bellariakino, bekannt für seine Spezialisierung auf die große Zeit der österreichischen Filmproduktion: Paul Hörbiger, Hans Moser, unvergessene Stars in unvergessenen Produktionen. Die wenigen Kinos, die die Multiplexwelle überlebt haben, sind heute Programmkinos und wenden sich an anspruchsvolles Publikum: Admiral, Filmcasino, Metro. Die meisten Säle wurden zu Supermärkten, vereinzelt lassen sich aber noch Spuren aus dieser versunkenen Welt finden. Das älteste Kino Wiens ist gleichzeitig das letztes Sexkino der Stadt.

Wien, Fortuna-Kino, das zweitälteste Kino und letztes Sexkino der Stadt

Mario Adlassnig liebt das Kino – und so widmet er sich neben seiner Firma für Bewässerungstechnik einem speziellen Hobby: dem letzten Sexkino Wiens. Für uns als Jugendliche waren diese Ohne-Pause-Kinos die erste Bildungseinrichtung für Grundlagen des Zwischenmenschlichen, und wir schlichen tagelang um den Block, bevor wir endlich in eine Kinokarte fürs „Rondell“ investierten. Das damalige Ambiente bestand aus einer strengen älteren Dame an der Kassa und im Saal verstreuten Herren im Trenchcoat, die ihrer einsamen Beschäftigung nachgingen. So manch siechendes Kino versuchte sich damals in Erotik, bevor das Licht auf der silbernen Leinwand endgültig verglühte; „Währinger Gürtel“, „Weltspiegel“, „Schäfferkino“ waren für neugierige 16jährige zuverlässige Garanten für rote Ohren. Es waren allerdings auch dauerhaft prägende Eindrücke, wenn im Rondell Damen mit jahrzehntelanger Mannequin-Erfahrung die gerade aktuelle Reizwäschekollektion präsentierten oder während der Vorstellung die Billeteurin im weißen Arbeitsmantel durch den Saal ging, aus der hoch erhobenen Spraydose einen Lysoform-Kondensstreifen hinterlassend. All das gibt es heute nicht mehr, das Fortunakino ist blitzsauber, die Kundschaft besteht aus Pärchen auf der Suche nach Mitspielern oder einfach dem kleinen Kick im Alltagsleben. Auch rechtlich ist alles wasserdicht; die Bordellkonzession ermöglicht „echte Action“ im Separee oder auf den großen Couches, die beliebte letzte Reihe im Kino ist also nicht nur fußfrei, sondern auch schrittoffen. Auch wenn Herr Adlassnig zum Kino gekommen ist wie die Jungfrau zum Kind – im Zentrum seines Begehrens steht echte Kinogeschichte. Die Pornos kommen vom Beamer, aber im Vorführraum steht ein riesiger 35mm-Projektor, und er hofft auf Sponsoren, die das wunderbare Ungetüm wieder zum Leben erwecken. Schon jetzt zeigt er einmal im Monat Filmklassiker, und vielleicht kommt irgendwann der Moment, in dem sich der rote Vorhang öffnet und von weit hinten, von den kleinen Fensterchen in der Rückwand, das Flimmerlicht Hollywoods Traumwelten neu erstrahlen lässt…

Fotos: https://www.viennaslide.com/features/Wien-Pornokino/

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