Im faschistischen Italien kam es zu einigen Stadtneugründungen, vorerst in den Pontinischen Sümpfen südöstlich von Rom – deren Trockenlegung war Teil von Mussolinis Arbeitsbeschaffungsprogramm.
Die erste neue Stadt ist Littoria (heute Latina), ihr folgen noch einige weitere „città nuove“ in der Region: fünf Jahre, fünf Städte, ein großer Propagandaerfolg. 1937 wird ein letztes Musterstädtchen angelegt, symbolhaft für die Zusammenarbeit von Großkapital und Faschismus, eine Modellsiedlung für die Zusammenführung von Industrie und Landwirtschaft: Torviscosa. Schilfrohr wird auf riesigen, geometrisch angeordneten Feldern gepflanzt und in der Fabrik zu Zellulose verarbeitet: Hier wird die Versöhnung von Natur und Industrie gefeiert und von Futuristen als „Potenz der Geometrie“ besungen. Geplant für 5.000 Menschen, bewohnt von knapp 3.000 – die Stadt kann die leeren Grundstücke an den großzügigen Achsen nie füllen; so bleibt die pathetische Prachtstraße mit ihren martialischen Sportlerstatuen vor dem Freibad bis heute ein zu breiter Weg durch einen wilden Park.
Einige der verfallenden Gebäude wurden zwar anlässlich der 50-Jahr-Feier renoviert, trotzdem erinnern die Arkaden entlang menschenleerer Plätze an die irrationalen Bilder eines Giorgio de Chirico. Torviscosa war eine der letzten von zwölf faschistischen Stadtgründungen und damit das Ende der Idee, die Arbeiter in autarken GartenstadtIdyllen mit Fabrik, Freizeitanlagen, Theater, Sportstätten und Restaurants unterzubringen und damit schlussendlich zu kontrollieren.