Italienische Reise

Massiv wachsen die florentiner Bürgerhäuser aus dem Boden, erst weit oben verzärteln sie sich in luftige toscanische Villen mit eleganten Terrassen. Schmal sind die Gassen, die die wuchtigen Fundamente den Menschen gönnen. Dann, plötzlich: Ein Traum aus Licht, aus den schwerdunklen Hausgebirgen steigt zart der Dom mit seiner flirrenden Fassade, die gigantische Kuppel liegt wie eine Blütenknospe über den Dächern aus Terrakotta: das große Wunderwerk der ausklingenden Gotik.

Noch eindringlicher, fast körperlich spürbar aber die Anwesenheit der großen europäischen Genies. Früher als im rohen Norden hat hier das sanfte Licht der Renaissance das Dunkel des Mittelalters vertrieben, und Männer wie Galileo Galilei, Leonardo da Vinci oder Michelangelo Buonarroti haben in Florenz die ersten Schritte in eine neue Zeit gewagt. Im ihm gewidmeten Museum ist Galileo sogar persönlich anwesend: hier bewahrt man seinen Zeigefinger unter einem Glassturz.

Dann Siena: Schon der Name eine Verheißung, er klingt nach Sehnsucht, nach Italien, nach Toscana. In der uralten Metropole öffnen sich die Gassen auf das Wohnzimmer der Stadt: Die Piazza del Campo ist der schönste Platz der Welt und Tribüne für das Rathaus, sein Turm eine Kerze, die bei Sonnenuntergang von unten nach oben abbrennt, bis zuletzt die Turmspitze golden aus dem Schatten glüht.

Siena, Piazza del Campo

Während die Stadt die Wochen zum großen Ereignis zählt, veranstalten die Schwalben zwischen den Fassaden ihren eigenen Palio; ihre Flugkunst und das Leben darunter ist aufregend genug, um stundenlang am selben Ort – einem kleinen Balkon eines Cafés – zu verharren.

Die Häuser hier sind mittelalterlich, die Gassen versickern in den muffigen Häusern, die über den engen Wegen zusammenwachsen in hundert Bögen. Man wohnte nicht großzügig damals, solange es das weltliche Leben betraf – der wahre Luxus war den Häusern Gottes vorbehalten, und hier ist sein Domizil besonders luxuriös. Kaum anderswo wird das für mich so unnachvollziebare Konzept von Religion deutlicher: Das diesseitige Leben ist karg und freudlos, erst im Jenseits geht’s dann so richtig los. Allerdings hat der Glauben die schönsten Kunstwerke hervorgebracht, die die Menschen je geschaffen haben, und der Dom von Siena wäre der Höhepunkt geworden – hätte die Pest als „Strafe Gottes“ nicht die Fertigstellung verhindert: Die Pracht wurde wohl sogar ihm zu viel.

Später in der Nacht morsen die Grillen ihre Geheimbotschaften in die Luft; die Glühwürmchen antworten mit blinkenden Lichtsignalen. Der Salamanderkönig wartet in der Hügeln um Siena auf Regen, bis dahin huscht ein Hofstaat aus hundert Eidechsen über die heißen Steine. Am hohen Horizont sind verfallende Dörfer in den Himmel geklebt: man seufzt „O, wie schön“, und die Zypressen stehen als Rufzeichen in der Landschaft.

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