1983 hatte ich einen Job, der eigentlich keiner war, da es kein Geld gab: Ich war Ordner bei „Stimmen der Welt“. Der Deal war, dass man als Ordner irgendwo rumstand, und wenn einem eine Band am Herzen lag, sagte man das und wurde auf einen perfekten Platz eingeteilt. Zum Ausgleich hat man dann ein anderes Mal den Notausgang bewacht oder so was – Gentleman’s Agreement, in den 80ern konnte man noch so arbeiten. Ich habe damals Joan Baez kennen gelernt (ich war vor ihrer Garderobe eingeteilt), mit Freddy Mercury hinter der Stadthallenbühne beim Müsliessen gesmalltalkt und mit Nina Hagen rumgeblödelt… Dann war ein „Tangokonzert“ am Programm, ich ging widerwillig hin und bekam einen Schlafjob oben am Balkon des Konzerthauses. Tango. Jessas. Fade, dachte ich, Fado war mir noch unbekannt, und auch wenn ich den Unterschied zwischen Pizza und Piazza kannte – von einem Piazzolla hatte ich noch nie was gehört.
Irgenwann kam ein verhutzeltes Männchen mit Zieharmonika auf die Bühne, und ich: Oh Gott.
Und dann ging es los.
Und meine Ohren machten Augen.
Und es wurde mit jedem Stück besser, der Saal hat getobt – und am Schluss, als bei Adios Nonino die Violine einsetzte, haben wir alle geheult.
Als sich „mein Bereich“ geleert hatte bin ich zu den Garderoben abgebogen und hab mich mit meinem Ausweis durchgedrängt, bin einfach zur Band rein – und die waren genauso von den Socken: Das Wiener Publikum gilt als unbestechlich, und selten wurde Piazzolla so gefeiert wie an diesem Abend. Und so kam’s, dass ich mit einem Glaserl Rotwein Piazzolla zuprostete.
Es war eines meiner eindringlichsten Musikerlebnisse, und glücklicherweise sah das der Künstler ähnlich: „The Vienna Concert“ erschien vom ORF perfekt mitgeschnitten auf Vinyl und wurde Piazollas berühmteste Live-Aufnahme überhaupt.