„We choose to go to the Moon“

„We choose to go to the Moon“

Es war eine von Präsident Kennedys mitreißenden Reden, 1962, nur 35 Jahre nach dem ersten Nonstop-Flug Charles Lindberghs von New York nach Paris:

„We set sail on this new sea because there is new knowledge to be gained, and new rights to be won, and they must be won and used for the progress of all people.“ – damals war Amerika der strahlende Leuchtturm des Fortschritts im Dunkel der europäischen Nachkriegszeit, und es gab nur ein einziges Ziel: die Zukunft.

„We choose to go to the Moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard“: dieser Mut, dieser Erfindungsreichtum, dieser Zukunftsglaube hat die westliche Welt damals beflügelt.

„For the eyes of the world now look into space, to the moon and to the planets beyond, and we have vowed that we shall not see it governed by a hostile flag of conquest, but by a banner of freedom and peace“. Und tatsächlich, nur sieben Jahre später gelang der größte technologische Triumph der freien Welt. Noch wichtiger als die Fußabdrücke in Mondstaub ist aber ein Foto: die Erde in ihrer ganzen zarten Schönheit über dem trostlos-kalten Mondhorizont. Man steigt auf Berge, um ins Tal zurück zu sehen – die Astronauten haben das Weltall bereist und die Erde gefunden. Und so ist dieses Bild für mich persönlich viel eindrucksvoller, viel berührender als irgendwelche mitgebrachten Mondsteine:

Es ist unsere Heimat, wunderschön und verletzlich.

Wir sollten besser auf sie aufpassen.

Ein weiter Kelch für die Kultur

Ein weiter Kelch für die Kultur

Es war einer der typischen Zufälle, die eine ganze Kette von inspirierenden Begegnungen auslösen: 2023 sah ich beim Preview der Architekturbiennale in Venedig im ungarischen Pavillon das Modell eines aufregenden Gebäudes. Ich sprach die Pressedame an, und sie meinte, „kommen sie in zwei Stunden wieder, dann wird der Architekt da sein!“. Und natürlich war ich zwei Stunden später da, sprach mit dem Museumsdirektor und dem Architekten Marcel Ferencz – und wurde nach Budapest eingeladen, um das Projekt im Original zu sehen.

Und ich war bezaubert: Der 52jährige Architekt hat mit dem neuen Ethnografischen Museum ein glitzerndes Kunstwerk an den Rand des Budapester Stadtwäldchens gesetzt, das wirkt, als wäre ein Stück der Saturnringe auf die Erde gestürzt.

Es ist der spektakulärste Neubau seit Jahrzehnten. Seit 1956 steht hier das Denkmal für den Ungarnaufstand, es durfte nicht angetastet werden. Während die anderen Wettbewerbsteilnehmer das Denkmal eingerahmt oder überbrückt haben, hat Ferencz sein Museum in den Boden gedrückt: Als Segment eines gedachten Kreises mit einem Kilometer Durchmesser, der in der Mitte unter das Denkmal taucht und an den beiden Enden aus dem Boden steigt. Ein weit geöffneter Kelch für die Kultur, das war die erste Assoziation der Jury, und im Vertrauen erzählt man, dass der Entwurf sofort Favorit war. 300 Meter ist dieses Segment lang, trotzdem ist das Gebäude diskret: Die Dachfläche wurde zum Garten, das Mittelstück ist ein gepflasterter Platz, die beiden aufsteigenden Gebäudeteile bilden ein grünes Portal in den Park, das Denkmal ist unbeeinträchtigt.

Die senkrechten Fassaden der Baukörper erhielten eine Verkleidung aus Aluminiumgittern, in deren Öffnungen kleine Aluwürfel gesteckt sind: Sie bilden abstrahierte volkstümliche Muster nach, inspiriert von je 20 ungarischen und internationalen Vorlagen; angeordnet sind sie auf acht parallelen Bändern, die den Bodenschichten entsprechen, die bei der Bauvorbereitung erbohrt wurden. Auch die Bepflanzung des Dachgartens ist kein Zufall: Sie entspricht der Vegetation, die hier früher, vor der Kultivierung zum Stadtpark, vorherrschend war – und so riecht es hier nach Wiese, nach Lavendel und Thymian.

Mit dieser Reise, mit dieser Führung durch das Projekt habe ich meine Verbindung zu Budapest wiederentdeckt. In den 1990er-Jahren habe ich ein Buch fotografiert: „Jugendstil in Budapest“ hieß es, ein schlankes Bändchen voller schlechter Fotos und holpriger Texte. An diesem Tag beschloss ich, es nochmals zu machen, und diesmal besser – nur ein Jahr später konnte ich das fertige Buch als kleines Dankeschön an Marcel Ferencz senden.

Längerer Artikel: http://www.mauerspiel.at/texte/2023-08-26-Presse-Spectrum-Varosliget.pdf
Jugendstil in Budapest: http://www.mauerspiel.at/jugendstil/

Burano

Burano

Lustig leuchten bunte Klötzchen übers Wasser, und voller Vorfreude schnattern die asiatischen Touristen am Vaporetto. Sie werden nicht enttäuscht, die kleine, bunte Schwester von Venedig verströmt unbeschwerte Idylle – auf den ersten Blick. Die Menschen in ihren farbenfrohen Schuhschachteln sind aber alt geworden, mit den Kunsthandwerksläden oder den Souveniershops fangen sie wenig an.

Mit jedem ablegenden abendlichen Linienboot wird es leerer in dem Dörfchen. Viele Häuser stehen zum Verkauf, die letzten Fischer haben längst ihre Netze eingeholt, die berühmten Stickereien kommen heute aus Asien. Vielleicht ist es das letzte Mal, dass die Fassade frisch gestrichen wird: Burano, dieses entzückende Kleinod, wirkt plötzlich noch trauriger als das ebenso ausblutende Venedig, es scheint, als hätte es sich ein unangemessen fröhliches Totenhemdchen übergeworfen.